Bleiberecht

++++++++++++Update zum Bleiberecht++++++++++++

In Deutschland leben immer noch knapp 90.000 geduldete Flüchtlinge, davon 53.000 seit mehr als sechs Jahren, und einige hunderttausend Menschen ohne jeglichen Aufenthaltsstatus mit ständiger Angst vor der Abschiebung. Am Ende des Jahres droht zudem bis zu 15.000 vorläufig Bleibeberechtigten, obwohl sie schon mehr als zehn Jahre in Deutschland leben, der Rückfall in die Duldung und damit die Abschiebung. Sie hatten im Jahr 2007 ein Bleiberecht erhalten, konnten aber bisher ihren Lebensunterhalt nicht eigenständig sichern. Betroffen sind vor allem vor allem Familien mit vielen Kindern sowie alte und kranke Menschen. 2009 konnte noch verhindert werden, dass sie in die Duldung zurückfallen: 5000 Menschen gingen damals anlässlich der Bremer Innenministerkonferenz (IMK) auf die Straße – die Frist zur Lebensunterhaltssicherung wurde um zwei Jahre verlängert.

Ob die diesjährigen Proteste wieder erfolgreich sein werden, ist jedoch mehr als unsicher. Die größte Hoffnung liegt dabei auf den Betroffenen selbst. Seit 2005 erzeugen vor allem die regelmäßigen Proteste von jungen Flüchtlingen bei den IMKs mächtig Druck: Zwei Begnadigungsregelungen für Langzeitgeduldete wurden in den Jahren 2006 und 2007 erlassen, die so genannten Altfallregelungen. 60.000 Menschen, die abgeschoben werden sollten, erhielten ein Bleiberecht. In 2010 befürworteten die Innenminister ein spezielles Bleiberecht für 15 bis 21 Jährige Langzeitgeduldete. Die Besonderheit: Waren die vorherigen Regelungen stichtagsabhängig und daher nur einmalig wirksam, ist mit dem §25a AufenthG eine dauerhaft wirksame rollierende Regelung geschaffen worden.

Eine solche Regelung auch über die Jugendlichen hinaus ist derzeit in der Diskussion. 2010 ließ Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU Fraktion Peter Altmaier, erstmals Chancen auf eine dauerhafte Bleiberechtsregelung durchblicken. Der ehemalige Staatssekretär im Innenministerium verwies dabei ausdrücklich auf Gespräche mit Jugendlichen Flüchtlingen die er geführt hatte. Schleswig-Holstein als CDU geführtes Bundesland wird voraussichtlich noch in 2011 eine dementsprechende Bundesratsinitiative starten. Auf der Innenministerkonferenz wird über das Thema beraten werden und eventuell werden dort bereits die Eckpunkte einer Neuregelung ausgehandelt. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass ein rollierendes Bleiberecht ohne Altersbeschränkungen zeitnah geschaffen wird, zumal FDP, SPD, LINKE und Grüne sich bereits als Fraktionen dafür aussprachen. Viele Personen werden jedoch davon ausgeschlossen sein. Zum einen sind bei einer Federführung der Union Mindestaufenthaltszeiten von fünf bis acht Jahren zu erwarten und es ist zu befürchten, dass Straftaten von insgesamt über 50 Tagessätzen, die Verhinderung der eigenen Abschiebung, mangelnde Deutschkenntnisse, eine negative Integrationsprognose und fehlende Lebensunterhaltssicherung Ausschlussgründe darstellen werden. Es bleibt damit dabei, dass eine Abschaffung der Kettenduldungen nicht in Sicht ist. Nur wer wirtschaftlich verwertbar ist, lange in Deutschland ist und in der Lotterie der ausländerbehördlichen Ermessensentscheidungen eine Portion Glück hat, wird profitieren können. Trotz alledem würden zahlreiche Abschiebungen verhindert und zehntausenden Menschen eine Perspektive gegeben werden. Unter rot-grün war eine solche Regelung nicht einmal denkbar: Der damalige Innenminister Otto Schilly (SPD) bekam regelmäßig Wutausbrüche, wenn das Thema nur angesprochen wurde.

Ohne breit angelegte Proteste für ein Bleiberecht besteht jedoch die Gefahr, dass eine Neuregelung verschleppt oder durch restriktive Ausschlussgründe ausgehebelt wird. Auch im Hinblick auf die Wahlen 2013 und den drohenden Rückfall tausender Probe-Bleibeberechtigter in die Duldung am Jahresende, sind die Bleiberechtsproteste so bedeutend wie seit Jahren nicht mehr.

JOG Stellungnahme zum neuen Bleiberecht
PM von 19.11.2010: Nicht ohne unsere Eltern

Die Innenminister werden auf ihrem Treffen ein Bleiberecht diskutieren: Jugendliche die seit 8 Jahren in Deutschland sind und bereits sechs Jahre zur Schule gehen sollen nach Willen einiger Unionsinnenminister bleiben können, gleichzeitig soll verstärkt abgeschoben werden. Der Tenor: Wer „nützlich“ ist soll bleiben können, wer „unnütz“ ist soll gehen.

„Dass Flüchtlinge erst ausgegrenzt und isoliert und dann als unnützlich bezeichnet und dafür bestraft werden sollen, ist zynisch und menschenverachtend“,

erklärt Newroz Duman von Jugendliche Ohne Grenzen.

„Die Innenminister sollen sich entscheiden, ob sie Flüchtlinge weiterhin in Lagern und mit Ausbildungs- und Arbeitsverboten krank machen wollen oder ihnen einen Weg in die Gesellschaft ermöglichen wollen. Wir fordern ein Ende der Desintegrations- und Abschiebepolitik.“

Worum geht es beim Bleiberecht?

88.000 geduldete Flüchtlinge leben in Deutschland, die meisten seit mehr als 6 Jahren (hinzu kommen nochmal ca. 70.000 ausreisepflichtige Menschen ohne Duldung). Sie haben kein Aufenthaltsrecht, können aber auch nicht abgeschoben werden. Viele können und wollen nicht in ihre Ursprügsländer zurück. Es herrscht Bürgerkrieg oder die Papiere fehlen. In permanenter Angst vor der Abschiebung fehlt diesen Menschen jede Lebensperspektive. Hinzu kommen Arbeits- und Ausbildungsverbote, Leben in Sammellagern und Ausschluss von Integrationsmaßnahmen wie Sprachkursen. Bleiberechtsregelungen sind ein Instrument der Politik um jahrelang Geduldeten unter bestimmten Bedingungen ein Aufenthaltsrecht zu gewähren und damit den permanenten Protest von SchülerInnen, Kirchen, Nachbarschatsgruppen und antirassistischer Gruppen zu beruhigen.

Anzahl der geduldeten Flüchtlinge in Deutschland vom 30.04.2010

Was läuft da in der Politik?

Derzeit ist eine neue Bleiberechtsregelung in der Diskussion. Am 27. Oktober 2010 fand bereits eine Anhörung im Innenausschuss des Bundestages hierzu statt. Das neue ist: Erstmals bestehen Chancen auf eine entfristete Bleiberechtsregelung: Während vorherige Regelungen aufgrund von Stichtagsregelungen nur einmalige Begnadigungsakte für einen Teil der Geduldeten waren, wird in 2010/2011 höchstwahrscheinlich eine dauerhafte Bleiberechtsreglung erlassen werden.

Wie diese Regelung im Detail aussehen wird ist noch unklar, unklar ist auch mit welchen ausländerrechtlichen Verschärfungen sie erkauft wird. In der Diskussion ist ein Kuhhandel: Die FDP setzt eine Bleiberechtsregelung für Jugendliche mit Schulabschluss durch, die Union dafür Verschärfungen beim Aufenthaltsrecht für ausländische Ehepartner. SPD, Grüne und Linkspartei haben bereits vor langem eigene Gesetzesvorschläge eingebracht, die das Problem der Kettenduldungen wesentlich grundsätzlicher angehen, als der Regierungsvorschlag. Da zumindest die Zustimmung der SPD im Bundesrat benötigt wird, wird zumindest zwischen der Position der Koalition und der SPD verhandelt werden. Hier die bekannt gewordenen Regelungsvorschläge in der Übersicht:

Positionspapier der Unionsinneminister vom 14.10.2010

Gesetzentwurf der Grünen-Fraktion vom 05.05.2010
Gesetzentwurf der Linkspartei-Fraktion vom 04.05.2010
Gesetzentwurf der SPD-Fraktion vom 15.12.2010
Gesetzentwurf der FDP-Fraktion vom 26.05.2010

Was hat die Innenministerkonferenz in Hamburg damit zu tun?

Die Innenministerkonferenz ist traditionell die entscheidende Institutionen in Deutschland wenn es um die Frage „Abschiebung oder Bleiberecht“ geht. Eine gesetzliche Bleiberechtsregelung ist zudem Zustimmungspflichtig, das heißt die Mehrheit der Bundesländer müssen das Gesetz akzeptieren. Auf der Konferenz der Landesinnenminister sitzen die innenpolitischen Vertreter der Bundesländer, daher ist zu erwarten, das Verhandlungen zwischen Bundes- und Landesinnenminister auf der IMK laufen werden und die Eckpfeiler der Regelung fest- bzw. abgeklopft werden. Denkbar ist auch das die Innenminister auf ihrer Konferenz eine eigene Regelung treffen um der Bundeseben zuvor zu kommen und so die eigene Machtpositionen zu stärken. Wahrscheinlicher ist jedoch das erst einmal verhandelt wird.

Worum geht es beim Bleiberecht?

88.000 geduldete Flüchtlinge leben in Deutschland, die meisten seit mehr als 6 Jahren (hinzu

kommen nochmal ca. 70.000 ausreisepflichtige Menschen ohne Duldung). Sie haben kein

Aufenthaltsrecht, können aber auch nicht abgeschoben werden. Viele können und wollen nicht

in ihre Ursprügsländer zurück. Es herrscht Bürgerkrieg oder die Papiere fehlen. In

permanenter Angst vor der Abschiebung fehlt diesen Menschen jede Lebensperspektive. Hinzu

kommen Arbeits- und Ausbildungsverbote, Leben in Sammellagern und Ausschluss von

Integrationsmaßnahmen wie Sprachkursen. Bleiberechtsregelungen sind ein Instrument der

Politik um jahrelang Geduldeten unter bestimmten Bedingungen ein Aufenthaltsrecht zu

gewähren und damit den permanenten Protest von SchülerInnen, Kirchen, Nachbarschatsgruppen

und antirassistischer Gruppen zu beruhigen.

Anzahl der geduldeten Flüchtlinge in Deutschland vom 30.04.2010 (http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/015/1701539.pdf)

Was läuft da in der Politik?

Derzeit ist eine neue Bleiberechtsregelung in der Diskussion. Am 27. Oktober 2010 fand

bereits eine Anhörung im Innenausschuss des Bundestages hierzu statt. Das neue ist: Erstmals

bestehen Chancen auf eine entfristete Bleiberechtsregelung: Während vorherige Regelungen

aufgrund von Stichtagsregelungen nur einmalige Begnadigungsakte für einen Teil der

Geduldeten waren, wird in 2010/2011 höchstwahrscheinlich eine dauerhafte Bleiberechtsreglung

erlassen werden.

Wie diese Regelung im Detail aussehen wird ist noch unklar, unklar ist auch mit welchen

ausländerrechtlichen Verschärfungen sie erkauft wird. In der Diskussion ist ein Kuhhandel:

Die FDP setzt eine Bleiberechtsregelung für Jugendliche mit Schulabschluss durch, die Union

dafür Verschärfungen beim Aufenthaltsrecht für ausländische Ehepartner. SPD, Grüne und

Linkspartei haben bereits vor langem eigene Gesetzesvorschläge eingebracht, die das Problem

der Kettenduldungen wesentlich grundsätzlicher angehen, als der Regierungsvorschlag. Da

zumindest die Zustimmung der SPD im Bundesrat benötigt wird, wird zumindest zwischen der

Position der Koalition und der SPD verhandelt werden. Hier die bekannt gewordenen

Regelungsvorschläge in der Übersicht:

Positionspapier der Unionsinneminister vom 14.10.2010 (upload)
Gesetzentwurf der Grünen-Fraktion vom 05.05.2010 (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/015/1701571.pdf)
Gesetzentwurf der Linkspartei-Fraktion vom 04.05.2010 (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/015/1701557.pdf)
Gesetzentwurf der SPD-Fraktion vom 15.12.2010 (http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/002/1700207.pdf)
Gesetzentwurf der FDP-Fraktion vom 26.05.2010 (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/131/1613160.pdf)

Was hat die Innenministerkonferenz in Hamburg damit zu tun?

Die Innenministerkonferenz ist traditionell die entscheidende Institutionen in Deutschland

wenn es um die Frage „Abschiebung oder Bleiberecht“ geht. Eine gesetzliche

Bleiberechtsregelung ist zudem Zustimmungspflichtig, das heißt die Mehrheit der Bundesländer

müssen das Gesetz akzeptieren. Auf der Konferenz der Landesinnenminister sitzen die

innenpolitischen Vertreter der Bundesländer, daher ist zu erwarten, das Verhandlungen

zwischen Bundes- und Landesinnenminister auf der IMK laufen werden und die Eckpfeiler der

Regelung fest- bzw. abgeklopft werden. Denkbar ist auch das die Innenminister auf ihrer

Konferenz eine eigene Regelung treffen um der Bundeseben zuvor zu kommen und so die eigene

Machtpositionen zu stärken. Wahrscheinlicher ist jedoch das erst einmal verhandelt wird.

06. – 08. Juni 2018 | Halle